Samstag, 2. Februar 2008

Fieber III

Tick. Tick. Tick.
Die knallbunte Wanduhr mit dem Clown drauf... Ein miserabler Versuch, das allzu steril anmutende Zimmer aufzuheitern. Apathisch sehe ich dem Sekundenzeiger zu, wie er die Zeit meines Lebens in Scheiben schneidet.
Tick. Tick. Tick.
Stimmungstief? Eher nicht. Um genau zu sein fühle ich gar nichts mehr. Es kommt mir vor, als ob das Loch, das dein Verlust hinterlassen hat, alles insich aufsaugt... Keine Gefühle...
Tick. Tick. Tick.
Langsam geht mir die verdammte Kinderuhr auf die Nerven...
Tick. Tick. Tick.
Ich stehe träge auf und gehe hinüber, bis ich der bescheuerten Uhr direkt gegenüberstehe.
Tick. Tick. Tick.
Wieder in Gedanken an dich.
Tick. Tick. Tick.
~Es klingt wie ihr Herzschlag, nicht?~
"Sei still."
Tick. Tick. Tick.
Ich muss wirklich langsam den Verstand verlieren... Wer mit sich selbst redet, der kann definitiv nicht ganz richtig im Kopf sein.
Tick. Tick. Tick.
~Hätte ich ja fast vergessen... DU warst es ja, der ihr kleines, unwichtiges Herz zum Schweigen gebracht hat.~
"Sei still."
Tick. Tick. Tick.
~DU solltest besser still sein. Sonst kommt wieder die Schwester... Aber vielleicht willst du ja wieder im Drogenrausch versinken... Feige, wie du nunmal bist...~
Ich kann beinahe... Sein?... Mein?... Hämisches Grinsen spüren...
"Sei still."
Tick. Tick. Tick.
~Tic-tac-tic-tac-tic-tac... Erinnerst du dich? Und dann war es auf einmal still.~
"Sei still."
Tick. Tick. Tick.
~Sie hat gesagt, dass sie dich liebt, bevor sie abgekratzt ist.~
"Sei still."
Mit erschrecken stelle ich fest, dass meine Stimme inzwischen leise und weinerlich klingt...
Tick. Tick. Tick.
~Ah, wir werden langsam weich, was? Jaja... Merkst du endlich, dass sie dich nur beruhigen wollte? Dich mit Worten ruhigstellen, genau wie die es hier mit Pillen und Spritzen machen?~
"Sei still."
Heisse Tränen sammeln sich in meinen Augen, krampfhaft versuche ich sie wegzublinzeln.
Tick. Tick. Tick.
~Genau genommen weisst du es ja. Sie hat dich belogen, aber wem sage ich das? Sie wollte sich nur keine Vorwürfe machen, wenn sie dir die Wahrheit sagt. In wirklichkeit hat sie dich gehasst.~
"SEI STILL!"
Ruhe.
Die Hand senkt sich langsam wieder, die Plastikscherben des Uhrglases fallen klappernd zu Boden.
Ruhe.
"Ich liebe sie..."
Ruhe.
Schluchzend sacke ich auf die Knie nieder.
Ruhe.
Schnelle Schritte.
Ruhe.
Die Tür geht auf.
Ruhe.
"Fixieren."
Ruhe...


(Die Zustände in dieser Geschichte haben nichts mit denen in einer wirklichen Psychiatrie gemein, sie sind frei erfunden. Das hier wurde nicht geschrieben, um eine wahre begebenheit zu formulieren, sondern nur, um den Leser zu unterhalten und vielleicht ab und an zum Nachdenken zu bewegen.)

Fieber II

Zitternd schlage ich die Augen auf. Was war nochmal... Verwirrt streichen die Fingerspitzen über die Brust, doch da ist nichts. Erkenntnis. Wieder nur ein Traum. Wie könnte es auch anders sein? Hatte ich wirklich geglaubt, dei Toten könnten zurückkehren? Bin ich inzwischen wirklich verrückt? Sie kommen nicht zurück. Tatsache. Besonders nicht die, deren Körper unter einem Halbtonnenschweren Auto zerquetscht wurden, schiesst mir der Gedanke, wie von einem Fremden eingeflüstert durch den Kopf.
"Ich muss wirklich langsam den Verstand verlieren..."
Die Worte kamen unwillkürlich gemurmelt über meine Lippen.
"Lass das."
Mahne ich mich selbst, schliesslich waren Selbstgespräche ein Zeichen dafür, dass man langsam wirklich den Verstand verliert. Ich richte mich langsam und zittrig auf, während ich mit einer raschen Bewegung den kalten Schweiss von der Stirn wische. Es wäre auch zu schön gewesen. Alles im Zimmer ist wie in meinem Traum... Panisch versuche ich es nicht Halluzination zu nennen, denn das hiess, mir selbst einzugestehen, dass ich bekloppt bin. Praktischerweise bin ich nicht ans Bett gefesselt, wenigstens ein kleiner Lichtblick. Unter der Tür fällt ein Lichtbalken herein und ich höre den schlurfenden Schritt der Pflegerin hinter der Tür vorbeikommen. Du miese, alte Schlampe! Denke ich bei mir, gleich danach der etwas schnellere Schritt der Auszubildenden, die ab und an hier war. Und dahinter gleich diese beschissene, kleine Bahnhofsnutte...
"Sie machen nur ihren Job, sie meinen es nicht böse."
Sage ich laut, um mich selbst davon zu überzeugen, dass es ganz in Ordnung wäre, Personalmangel mit Morphiumspritzen auszugleichen.Irgendwo auf der Station höre ich das dämliche Gesabbel eines der älteren Patienten. Halts Maul, Opa, den anderen geht es auch nicht besser, du elender Hosenscheisser!
Agressionen waren falsch. Ich greife nach dem Hübschen Plastikglas neben dem Bett auf der Kommode, das mit Kindermotiven geschmückt ist. Runterkommen, das war jetzt wichtig. Sonst komme ich hier nie raus... Ich greife unter das Bett, zu der Schlaftablettenchachtel, die ich heimlich mitgehen habe lassen. Ich nehme ein der Pillen raus, Schlucke sie mit ein wenig Wasser. Das würde reichen, um durchzuschlafen. Traumlos, hoffentlich... Ich lehne mich ins Kissen zurück und schliesse die Augen. Lange würde es sicher nicht dauern, bis das Mistzeug wirkte. Irgendwo, wahrscheinlich aus Richtung der Station, auf der die Kinder und Jugendlichen untergebracht waren, höre ich ein anschwellendes Schreien. Ein generftes Seufzen entringht sich meinem Mund. Konnten die Bälger nicht einmal die Klappe halten? Auch Bekloppte brauchten schliesslich ihren Schlaf. Nach einer Weile drehe ich mich auf die Seite. Wie lange dauert das denn noch? Nochmal ein Griff unters Bett, nach der Schachtel. Ein Schluck Wasser und runter damit. Wieder das Gequengel von der Kinderstation. Draussen rauscht der Wind in den herbstlich blattlosen Bäumen. Unruhig rolle ich mich herum, von der einen auf die andere Seite. Eine Weile liege ich noch nachdenklich da, dann beschliesse ich nochmal drein von diesen wirkungslosen Scheissteilen zu werfen.

Schwärze.



(Die Zustände in dieser Geschichte haben nichts mit denen in einer wirklichen Psychiatrie gemein, sie sind frei erfunden. Das hier wurde nicht geschrieben, um eine wahre begebenheit zu formulieren, sondern nur, um den Leser zu unterhalten und vielleicht ab und an zum Nachdenken zu bewegen.)

Donnerstag, 26. Juli 2007

Neonlicht

Weisses Neonlicht erhellt den Raum Was zur Hölle hat so eine Lampe in einem Schlafzimmer verloren? denke ich verschwommen. Mit gnadenloser Detailtreue beleuchtet die nackte Neonröhre alle Konturen des trostlosen Zimmers: die kahlen Wände mit hellen, rechteckigen Flächen, an denen früher einmal Bilder hingen, das Bett, bestehend aus rostigen Metallstangen und halb unter einem Gewirr von Laken verborgen, du, meine kleine Suizid-Prinzessin. Deine weisse, ja fast durchscheinende Haut wirkt unter dem Licht noch heller. Das Haar, mit dieser dunklen roten Farbe, das ich immer noch so liebe liegt unter deinem Kopf ausgebreitet, wie eine geronnene Blutlache. Mit leerem Blick schaust du an die Zimmerdecke und ein müdes Lächeln umspielt deine Lippen. Verdammte scheisse warum habe ich nicht bemerkt, dass du schon wieder stonedwarst bevor wirs getan haben? Ich sinne nach, wann wir das letzte mal miteinander geschlafen hatten ohne dass dieser Scheiss durch deine Adern geflossen ist. Ich nehme deine Hand und drücke sie leicht -keine Reaktion- ich sehe wieder die roten Striemen auf deiner Haut und frage mich ängstlich wann ich deinen Arm das letzte mal gestreichelt habe ohne dabei diese Schnitte zu berühren.Vorsichtig umarme ich dich, darauf bedacht, dich durch Zärtlichkeiten in diese Welt zurückzubringen -keine Reaktion- Das einzige, was ich von deiner Seite spüre, ist das Zittern. Ich frage mich panisch wann ich dich das letzte mal umamrt habe ohne zu spüren, wie die Drogen deinen Körper zerfressen. Ich versuche dich zu küssen, doch du wendest dich ab mit einem Blick, der mir sagt Hey, stopp wir hatten grad unseren Spass und jetzt lass mich wieder für ne weile in Ruhe. Dieses mal denke ich an die Waffe, die ich mir vor ein paar Tagen besorgen habe lassen, ich denke daran, dass ich mich nicht mehr von diesen grünen Augen quälen lassen müsste, die ich doch immer noch so sehr liebe. Du scheinst eine Veränderung in der Stimmung gefühlt zu haben obwohl du so weit von mir entfernt bist, als wärst du auf dem Mars und sagst zu mir: „ich liebe dich“, „ich dich auch”, antworte ich mechanisch. Die Worte hallen nach wie das Echo einer Explosoin in meinem Kopf. Morgen werden wir beide unseren Geschäften nachgehen, wie jeden Tag, als ob nichts dabei wäre. Wieder die Gedanken an die Waffe. Wieder der Drogenrausch. Wieder eine Nacht zu zweit, allein. Jedesmal beide noch ein Stückchen näher am Selbstmord: -durch die Sucht-, durch die Verzweiflung.

Winter

Keine Gedanken, nur Hallende Leere
Keine Worte, nur erdrückende Schwere

Keine Lieder, nur eiskaltes Schweigen
Vereistes Wasser an verdorrten Zweigen

Keine Wärme, nur schneidender Wind,
Träme, die längst zerbrochen sind.

Keine Liebe, nur schwarze Trauer
undurchdringlich diese Mauer

Eissplitter in meinem Herz
Kein Lebensziel nur süßer Schmerz

Frühling

Die ersten Tropfen ziehen Kreise in den Pfützen, die das letzte Gewitter in den Schlaglöchern hinterlassen hat. Rosa Streifen durchziehen die Wolken am Horizont, wie auf einem alten Ölgemälde.Die Luft riecht schwülwarm, zittert fast in der Erwartung des kommenden Wolkenbruches. Langsam, fast nachdenklich setze ich einen Fuss vor den Anderen, währen weitere Tropfen den Ledermantel hinabrinnen und auf den Haaren kleine, glitzernde Kugeln bilden, die vom Sonennlicht goldgelb gemalt werden. Erst habe ich dich gar nicht erkannt: Eine Gestalt, die mit ebenso langsamen Schritten durch den Regen auf mich zukommt. Während ich meinen Gedanken nachhänge, laufe ich fast in dich hinein. Ich erkenne dich erst jetzt, wo du kaum einen Meter vor mir stehst. Das Wetter ist inzwischen zu einem reglrechten Wolkenbruch übergegangen, deine Haare triefen nur so vor Nässe. Wie eine Art Vorhang fallen sie dir in die Augen. Mit dieser beiläufigen Bewegung, die ich doch schon so lange von dir kenne, streichst du sie mit einem der langen Fingernägel aus dem Gesicht. Unsicher siehst du mich von unten herauf an, eine genuscheltes "Hallo, du..." in Verbindung mit einem vagen Lächeln ist deine einzige Regung. Auf den ersten Blick sehe ich, dass es gespielt ist. Es braucht nicht erst die geröteten Augen, oder das Zittern in deiner Stimme, um das zu bemerken. Ich habe alles noch so gut in Erinnerung... Ich habe auch nicht vergessen, wie du gegangen bist... Ohne Worte... So, als ob nie etwas gewesen wäre...Nun stehst du wieder vor mir und musterst mich unsicher. Kurz kommt mir die Frage in den Sinn, ob du zu ihm bist, wie du zu mir gewesen bist... Im Grunde könnte es mir egla sein, aber der Gedanke, dass du bei Jemand anderem Bist ist kaum zu ertragen.
"Was ist passiert?" Frage ich dich.
"Nichts, warum?" In deinen Augen sehe ich, dass sich deine Antwort selbst für dich kläglich gespielt anhört.Du läufst hier gleichgültig durch ein Gewitter, bis du nass bis auf die Knochen bist und willst mir weis machen, dass alles in Ordnung ist? Lächerlich.
"Ich..." fängst du stockend an. "Er... Er hat..." kopfschüttelnd brichtst du ab, senkst den lick zu Boden. Kurz zögere ich, dann lege ich einfach die Arme um dich. Zittern, auch ein kurzes Zögern, bevor du den Kopf an meine Brust legst. Du zitterst noch mehr, als sich deine kleinen Hände an mich klammern. Unablässig fallen die Tropfen um uns, doch das Gewitter könnte diesen beiden Menschen, die da eng umschlungen standen, nicht ferner sein als jetzt. Langsam hebt sich dein Blick ein wenig. Du blickst mir in die Augen, mit diesem durchdringenden Blick, den ich von dir gewohnt bin.
"Es tut mir leid." Die Worte perlen langsam, wie das Wasser, das unablässig um uns herum fällt, über deine kalten Lippen.
"Was tut dir leid?" Obwohl ich die Antwort schon zu kennen meine, frage ich dich.
"Was damals passiert ist, mit uns..." Anklagend sehen deine Augen in meine, fast, als ob sie wüssten, dass ich die Antwort schon gekannt hatte.
"Schon gut..." leise flüstere ich es dir zu. Nun bin ich es, der mit den Tränen kämpfen muss. Wieder liegt dein Kopf an meiner Brust. Ich sehe zu, wie das Wasser aus den vollgesogenen Haaren auf den Boden Tropft. Dann siehst du mir wieder von unten herauf in die Augen. Ein kleiner Stich, wenn ich dich so ansehe...
"Es war damals eine schöne Zeit mit dir..... Mein Engel." Schmunzelnd erinnerst du dich an den alten Kosenamen, den du mir damals gegeben hast. Hat sie ihn auch so genannt? Spielte es eine Rolle? Ja. Nein. Inzwischen nicht mehr...
"Ja, das war sie..." Ich sage es mechanisch, fast betäubt, es klingt für mich, als ob ein Fremder sprechen würde. Dein Blick hat etwa anklagendes, als du wieder aufsiehst.
"Mir ist kalt... Ich sollte gehen..." Doch die Temperatur ist nichts im Vergleich zur eisigen Kälte, die wie ein früher Winterhauch in deiner Stimme liegt. Leise löst du dich von mir und drehst dich um. Ich sehe dir nach, der Mantel flattert im zunehmenden Wind um meine Beine. Meine Gedanken geraten hektisch in Bewegung, ganz anders, als der analytische und kalte Verstand, der diesem Körper sonst innewohnt. Dann, kurz bevor deine Konturen mit dem Grau der Regenschauer verschmelzen, hört es auf. Kein einziger Gedanke steigt als Blase aus dem Sumpf des Verstandes auf, als ich dir lautlos hinterhergehe. Der Atem fängt schon an, in der Lunge zu brennen, als ich dich endlich einhole. Ich halte dich am Arm fest. Fast erschrocken blickst du, als du dich umdrehst. Ohne zu denken Handle ich: Ich ziehe dich langsam ganz nahe zu mir. Langsam kommt mir dein Gesicht entgegen. Die Lippen, die auf meine treffen sind kalt... So schrecklich kalt... Wie lange wir so dastehen, weiss ich nicht... Als ich wieder die Augen öffne, sehe ich dein Gesicht... Das erste wirkliche Lächeln, das ich heute bei dir sehe zeichnet sich darauf ab. Verlegen schauen wir beide zu Seite. Am Wegrand stehen ein paar Schneeglöckchen. Die ersten Vorboten des Frühlings.

Die Kunst des Krieges

Soll man Musikstücke schreiben?
Ein Musikstück vom Krieg?
Soll man singen von gesichtslosen Mördern?
Zeilen der Zerstörung, Takte des Todes.
Maschinengewehre geben den Takt.

Soll man Gedichte schreiben?
Ein Gedicht über die Revolution?
Soll man schreiben von vergessenen Idealen?
Zeilen des Zornes, Reime der Rücksichtslosigkeit.
Der Takt der Gilloutine ergibt das Versmaß.

Soll man Bilder malen?
Ein Bild von der Massenvernichtung?
Soll man blinde Zerstörung malen?
Gemälde des Grauens, Farben der Feigheit.
Blut ist die Farbe.


Mord ist keine Kunst.

Geld

-Da, siehst du sie mein Kind?-
-Ja.-
-Das sind die Menschen.-
-Mami?-
-Ja mein Schatz?-
-Warum schauen sie so unglücklich?-
-Das liegt am Geld.-
-Was ist das, Geld?-
-Da, siehst du das?-
-Was denn, Mami?-
-Diese kleinen Papierfetzen mit Bildern drauf.-
-Was ist das, Mami?-
-Das ist Geld.-
-Was tut Geld?-
-Früher haben sich die Menschen ihren Königen unterworfen, heute sind die aber ausgestorben, sie brauchten einen neuen Herscher und mit dem Geld haben sie sich einen geschaffen.-
-Mami?-
-Ja mein Kind?-
-Die Menschen sind dumm.-
-Ja, mein Kind.-